Die Herbstzeitlosen
Für uns, denen der Pfosten der Tür verbrannt ist,
an dem die Jahre der Kindheit
Zentimeter für Zentimeter
eingetragen waren,
Die wir keinen Baum
in unseren Garten pflanzten,
um den Stuhl
in seinen wachsenden Schatten zu stellen,
die wir am Hügel niedersitzen,
als seien wir zu Hirten bestellt
der Wolkenschafe, die auf der blauen Weide
über den Ulmen dahinziehn.
Für uns,
die stets unterwegs sind
– lebenslängliche Reise, wie zwischen Planeten –
nach einem neuen Beginn.
Für uns
stehen die Herbstzeitlosen auf
in den braunen Wiesen des Sommers,
und der Wald füllt sich
mit Brombeeren und Hagebutten –
Damit wir in den Spiegel sehen
und es lernen
unser Gesicht zu lesen,
in dem die Ankunft
sich langsam entblößt.
(Hilde Domin)
Vor Kurzem habe ich sie auf einem Spaziergang entdeckt…..zwischen grünem Klee und dem ersten Herbstlaub, noch von der grünen Kraft des Sommers erzählend und mit den ersten Merkmalen des Herbstes konfrontiert. Eine Pflanze, die zu ungewöhnlicher Zeit blüht, die irgendwie zwischen den Welten existiert, so, als habe sie sich verirrt…. Hoch giftig und doch so schön und verführerisch. Im Frühjahr wachsen die Blätter und die Fruchtkapseln, im Herbst sprießen dann separat die zarten, trichterförmigen Blüten. In der übrigen Zeit überdauern die Pflanzen in ihren unterirdischen Speicherknollen.
Die Pflanze verdankt einer Legende nach ihre Entstehung der berühmten Giftmischerin Medea. Sie sammelte neun Nächte lang Kräuter, um einen Zaubertrank zu brauen, der ihren Schwiegervater Äson verjüngen sollte. Von diesem Zaubertrank fielen einige Tropfen auf die Erde und daraus entstand die Herbstzeitlose……
Auch ohne mit zweifelhaften Zaubertränken Absichten zu verfolgen, kann diese Pflanze, bei der alles anders ist als bei anderen, eine ganz besondere Attraktion sein und uns zeigen, dass auch der Herbst unseres Lebens seine Geschenke für uns bereit hält…unverhofft…manchmal ein bißchen verrückt…..und wunderbar!